Sternenschlange




Nachttaxi show

Summary: Ein gefangener Aztekenkrieger tanzt, bis er an die Reihe kommt, geopfert zu werden. Dabei erinnert er sich an die Geschichte des Aufstiegs der Azteken zur beherrschenden Macht von Mexiko. Playlist: Martin Auer – Sternenschlange – BY-NC-SA Takanakuy – Dolor patriarcal – BY-NC-SA Takanakuy – Beber – BY-NC-SA Takanakuy – El Wayno de Bordeaux – BY-NC-SA Takanakuy – Una copla me han cantando – BY-NC-ND Takanakuy – El camino – BY-NC-SA Kevin McLeod – Signation – BY Sternenschlange Hier bin ich. Ich tanze. In langer Reihe tanzen wir, geschmückt zu Ehren des Gottes. Bald werden wir bei Huitzilopochtli sein, bald werden wir die Sonne am Himmel begleiten. Wir waren Krieger, jetzt sind wir Gefangene. In langer Reihe tanzen wir, und vorne stehen die Opferpriester. In langer Reihe tanzen wir, und einer nach dem anderen sinkt dahin, als Opfer für die Götter. Bald werden sie auch mir das Messer aus schwarzem Stein in die Brust stoßen, mein Blut wird über den Opferstein fließen, und sie werden mein Herz herausschneiden. Mein Blut ist Nahrung für die Götter. Mein Blut ist Nahrung für Huitzilopochtli, die Sonne. Ich tanze. Sie haben mir Pulque zu trinken gegeben, jetzt bin ich leicht und tanze. Erst war ich traurig, dass nicht ich es war, der einen Feind zum Gefangenen machte. Aber jetzt bin ich leicht: Durch mich wird die Erde gerettet werden, mein Opfer wird die Götter versöhnen, dass sie die Erde nicht vernichten. Ich werde aufsteigen zu Huitzilopochtli, ich werde ihn am Himmel begleiten. Und dann werde ich zu einem Kolibri werden, wie alle tapferen Krieger, die im Kampf gefallen sind, die im Kampf geopfert wurden, und werde von Blume zu Blume fliegen und immer fröhlich sein, solange die Erde besteht. So war es immer, und so muss es sein. Ich tanze, und immer näher komm ich zum Opferstein. Ich tanze, und während ich tanze, erinnere ich mich: Ich wurde am Tag 1 des Ozelotmonats geboren, und so hat mir das Schicksal den Tod als Kriegsgefangener bestimmt. Als ich zur Welt kam, sagte die Hebamme zu mir: „Geliebter Sohn, wisse, dass dein Haus nicht dein Geburtshaus ist, denn du bist ein Krieger, du bist ein Quecholli-Vogel, und das Haus, in dem du zur Welt kamst, ist bloß ein Nest. Du bist dazu bestimmt, die Sonne mit dem Blut deiner Feinde zu laben und die Erde mit ihrem Leib zu ernähren.“ So werden alle Knaben begrüßt. Wäre ich ein Mädchen gewesen, so hätte sie gesagt: „Du musst im Haus sein, wie das Herz im Leib. Du darfst das Haus nicht verlassen, du musst sein wie die Asche im Herd“. Viele Reden wurden gehalten bei meiner Geburt, Verwandte und Freunde kamen, und der Wahrsager wurde nach meinem Schicksal befragt. Er legte den Tag meiner Taufe fest, und an diesem Tag wurde ich vielmal mit Wasser besprengt, und die Hebamme sagte die Worte: „Nimm und empfange, denn vom Wasser wirst du auf dieser Erde leben, vom Wasser wächst und grünst du; das Wasser schenkt uns, was uns not tut zum Leben.“ Dann wählten sie den Namen Citlalcoatl für mich, das heißt Sternenschlange. Acht Jahre lebte ich im Haus meines Vaters. Sobald ich laufen und sprechen konnte, musste ich schon Wasser und Holz holen und meinen Vater zum Markt begleiten. Später lernte ich fischen und segeln, meine Schwestern aber lernten spinnen und weben, fegten das Haus und mahlten den Mais auf dem Reibstein. Mit acht Jahren brachte mein Vater mich in den Calmecac, in die Tempelschule, und nicht in die gewöhnliche Kriegerschule. „Höre mein Sohn“, sagte er zu mir, „du wirst weder Ehre noch Achtung ernten. Du wirst vernachlässigt, verachtet und erniedrigt werden, Jeden Tag wirst du Agavendornen schneiden, um Buße zu tun. Du wirst dich mit den Dornen stechen müssen und dein Blut als Opfer geben, und Nachts wird man dich wecken, damit du im kalten Wasser badest. Stähle deinen Körper in der Kälte, und wenn die Fastenzeit kommt, so brich sie nicht und lasse[...]